Ich bin zu Hause.

09Sept2016

Fast zwei Jahre später und ich bin mittlerweile das dritte Mal in Arequipa – „der Liebe wegen“, so hat es meine Mama genannt. Und sie hat Recht.

Im Februar 2016, genauer gesagt am Valentinstag und just 1 Jahr nachdem ich Peru verlassen hatte, war ich das erste Mal zurückgekehrt. Einfach, weil ich nicht anders konnte, weil ich musste und weil ich durch mein Praktikum, das ich zuvor absolviert hatte, auch genug Geld für ein Ticket beisammen hatte. Mit offenen Armen wurde ich empfangen. Von Emerson, mit einer Sonnenblume (quasi „unserer“ Blume) in der Hand und einem nervösen aber freudigen Lächeln. Ich konnte erst mal gar nichts sagen, ich hatte komplett die Sprache verloren und drückte meine Freude mit einer nicht enden wollenden Umarmung aus. Am Anfang war alles wie neu, doch das legte sich innerhalb der ersten 24 Stunden. Dann klebten wir schon wieder wie – naja, wie Arsch auf Eimer eben.

Fast zwei Monate war ich bei Emerson, sogar zwei Wochen auf Reisen waren wir. Wir verbrachten tolle Tage in Lima, Piura und Máncora – Strand, Meer und tausendundein Insektenstich. Zwar endete der Urlaub mit einer fetten Erkältung und einer von Emerson verordneter „Ventilatorruhe“, ergo einer stickigen Nacht ohne Luftzug unterm Moskitonetz, alle Viere von mir gestreckt, mit trockenem Hals, verstopfter Nase und schlaflos, aber es war trotzdem sehr sehr schön. Wir flogen das erste Mal zusammen im Flugzeug, waren selbstständig, bestellten an einem verregneten Abend Pizza ins Hostel, schwiegen uns an, versöhnten uns wieder, lebten von Insektenschutzspray und CDS (Anm. d. Red.: Chlordioxidlösung, verordnet von einer Ernährungswissenschaftlerin Schrägstrich Heilpraktikerin gegen meinen nervösen Verdauungstrakt*, haha :D) und wohnten der wunderschönen Hochzeit von Emersons Cousine Karla und ihrem Mann Santiago auf einer Yacht vor dem Hafen Limas bei.

Lima LimaHochzeit auf der Yacht :)In Piura - mit neuem Paja-Hut :) MáncoraDie Glocke der Kathedrale von Arequipa - und ich

Die Zeit von Februar bis April verflog so schnell, dass ich es kaum glauben konnte, als es wieder vorbei war. Die letzte Nacht lagen wir Arm in Arm, nicht wirklich schlafend, und alles, was mir durch den Kopf schwebte war „Ich will nicht gehen, ich will nicht gehen, ich will nicht gehen, ich will nicht gehen…“

Es war ein bombastisch schöner Morgen, als ich in Arequipa ins Flugzeug stieg, meinen neuen Hut aus Piura tief ins Gesicht gezogen, damit die Menschen mich nicht weinen sahen. Und ich war fest entschlossen, wiederzukommen.

Ari quepay Chau, Arequipa. Bis bald!

 

Tja, und hier bin ich, genau fünf Monate später. Genauso nervös bei der Ankunft wie im Februar, genauso müde von der Reise, genauso erfreut, meinen Emerson wiederzusehen und genauso sprachlos als wir uns endlich umarmten.

Zuhause wurde ich dann auch schon von der restlichen Familie begrüßt, trank einen Tee, packte meinen Koffer aus und ruhte mich bis zum Mittagessen ein bisschen aus. Emersons kleine Nichte wird im November schon zwei Jahre alt und hat sich in den letzten fünf Monaten, in denen ich nicht da war, sehr verändert. Vor allem fällt mir auf, dass sie jetzt schon mehr spricht, nickt und mit dem Kopf schüttelt, zeigt und lacht, Zusammenhänge versteht, sozusagen schon eine richtige kleine Konversation führen kann.

Stolz hat sie mir direkt am ersten Tag ihre Puppen gezeigt, „bebe“. Auf meine Frage, wohin ihre Mama gegangen sei, antwortete sie „mami uuuh“ („La U“ – die Uni). Und mich kennt sie natürlich auch noch, ruft sie mich doch konsequent mit „tíaaaa“ (Tante). Wenn vom Mittagessen Fleisch übrig bleibt, zeigt sie darauf und sagt „ibi“ – für Tribilin, den Hund. Und das absolut goldigste geschah als ich Emersons Familie meine Mitbringsel überreichte, Alondra ihr Frozen-Holzpuzzle öffnete und dann mit einen strahlenden Lächeln und weit geöffneten Armen zu mit her getapst kam und mich umarmte. Das schönste Danke der Welt.

 

Weitere Kinder-Vokabeln:

„mia“ – mira, schau mal.

„aua“ – agua, Wasser.

„ano“ – vamos, gehen wir.

„ano“ – mano, (gib mir die) Hand

„dau“ – chau!

„peto“ – hueso, Knochen (für „ibi“)

 

Tribilin ist so süß und verliert so viele Haare wie eh und je. Aber man kann einfach kaum an ihm vorbeigehen ohne ihm ein paar Streicheleinheiten zu verpassen. Emerson und ich nennen ihn immer neckisch „la policía“, da er ständig meckert, wenn wir uns umarmen. :D

Gestern waren wir zusammen mit Montse (Mexikanerin, war schon 2014 beim Austausch dabei und ist gerade erneut für ein Auslandssemester in Arequipa) im Schwimmbad, um ein paar Bahnen zu schwimmen. Auch hier habe ich mal wieder ein paar Dinge gelernt: Erstens, man (und frau) MUSS in den Schwimmbädern immer eine Badekappe aufziehen. Zweitens, in Peru lernt man als Kind zuerst Kraulen, bevor man Brustschwimmen lernt. Komisch, oder? Und drittens, zwei Bahnen im auf 2335 Metern Höhe gelegenen Arequipa fühlen sich an wie 25 im flachen Karlsruhe. Ich war danach so was von absolut todmüde, aber die Dusche, das Mittagessen, und der Ausflug zu Metro mit Emersons Mama und seiner Nichte hielten mich wach, sodass ich sogar bis nach 22 Uhr durchhielt (5 Uhr morgens in Deutschland). Ein kleiner Fortschritt, wenn man bedenkt, dass ich am Tag zuvor um 19:30 über meinem Handy eingeschlafen bin – in Klamotten, mit angeschaltetem Licht und laufendem Fernseher – und nicht einmal wirklich merkte, dass und wann Emerson von seinem Abendkurs heimkam und sich zu mir ins Bett legte.

Heute war ich dafür schon um 5 Uhr hellwach. Blieb aber noch ein Weilchen liegen, laß in meinem Buch während Emerson noch schlief bzw. später mit Tribilin Gassi ging. Nach dem Frühstück – Haferschleim mit Lúcuma, Tee und Brot mit meinem mitgebrachten Papaya-Curry-Aufstrich – sind wir auf dem Markt gefahren, haben Obst und Gemüse, Hühnchen, Reis, Nudeln und Gewürze eingekauft. Der Kühlschrank platzt aus allen Nähten. Am Sonntag darf ich für die Familie kochen: Kichererbsencurry habe ich mir vorgenommen.

Den Rest des Nachmittags haben wir gemütlich ausklingen lassen. Ich habe mein Buch fertig gelesen, Emerson hat eine Siesta gehalten, dann ist er los zu seinem Fotografie-Kurs. Mal schauen, was die nächsten Tage und Wochen so bringen :-)

 

I'm home :)

 

*PS: Es hat geholfen. Im Gegensatz zu sämtlichen Antibiotika und sonstigen Medikamenten, die ich zuvor ausprobiert hatte.