Berichte von 09/2016

Käsespätzle, Kaiserschmarrn – viel Essen und ein HIIT.

19Sept2016

Nachdem wir letztes Wochenende bei einem guten Freund von Emerson zu Hause waren, ein bisschen was tranken (die Jungs Rumcola und ich Bier) und feierten, ließen wir es dieses Wochenende etwas ruhiger angehen. Am Freitag überredete ich Emerson, mit mir ein HIIT-Workout zu machen. Stellte sich heraus, dass das, ähnlich wie beim Schwimmen, hier in Arequipa gar nicht mal so einfach ist, wenn man die Lungen eines Flachländers hat. Ich schnaufte schon in der ersten von drei Runden wie ein Tier und war danach halbtot. Mein einziger Trost war, dass es auch Emerson nicht leicht fiel und dass ich so gut wie keinen Muskelkater davontrug (da meine Lungen schon nachgaben bevor sich meine Muskeln überhaupt anstrengen konnten…).

 

Die vergangene Woche durfte ich außerdem gleich mehrmals kochen. Als erstes kamen selbstgemachte Käsespätzle auf den Tisch. Die hatten wir letztes Jahr kurz bevor ich nach Deutschland zurückkehrte schon mal versucht zuzubereiten, was allerdings daran gescheitert war, dass wir aus Versehen „harina preparada“ benutzt hatten, also Mehl angereichert mit Backpulver. Das machte aus dem kompakten Nudelteig im siedenden Wasser einen fluffigen Teigteppich. Aber definitiv keine Spätzle. Diesmal ging alles gut, vor allem dank unseres neu erworbenen Lesetalents durch das wir auf „harina sin preparar“, also gutes altes super normales Weizenmehl zurückgriffen. Ein Traum.

Als nächstes kochte ich ein paar Tage später Kichererbsencurry mit Limettenjoghurt für die Familie – dachte ich zumindest. Das hätte beinhaltet: Emerson, ich, seine Eltern, seine Schwester und seine Nichte. Da ich sonst meistens nur für mich selbst oder höchstens mal ab und an für zwei koche, war es schon eine Herausforderung für mich, die Mengenangaben so anzupassen, dass es nicht nur für 5 ½ Personen reichte, sondern vor allem für 4 ausgewachsene Peruaner, die ja bekanntlich ordentlich große Portionen verdrücken. Ich rechnete also für 6. Später sagte mir Emerson, dass noch eine Tante vorbeikommen würde. Joa. Aus der einen Tante wurden dann drei Tanten, ein Onkel, zwei Cousins und ein weiteres Kleinkind. Gott sei Dank brachten sie aber noch Ceviche und Chicharrón de pescado (frittierten Fisch) mit, sodass wir am Ende eine Art Buffet hatten. Alle wurden satt und es blieb sogar noch ein wenig Curry übrig, das wir am nächsten Tag leer aßen. Mein Essen kam bei der ganzen Familie sehr gut an. Juhu! :-)

Gestern gingen wir dann Adobo essen. Das ist ein typisch arequipeñisches Gericht, das hier sonntags zum Frühstück gegessen wird. Mich erinnert es sehr an Gulaschsuppe mit dem Unterschied, dass es mit Schweinefleisch serviert wird. Dazu gibt es das typische „Pan tres puntas“, Brötchen mit drei Ecken, und danach ein „Té piteado“, Tee mit einem Schuss Anisschnaps. Zur Verdauung. Und sehr lecker. Ich mag ja eh (Kümmel-)Anistee sehr gerne.

Danach fuhren Emersons Schwester und Mama zum Markt, während Emerson und ich ein spätes Mittagessen zubereiteten – Kaiserschmarrn. Ich weiß nicht mehr, wie mir das in den Sinn kam, denn ich hatte bis dahin auch noch nie Kaiserschmarrn zubereitet. Es ist uns aber sehr gut gelungen, finde ich. Wir machten dazu noch Apfel-Papaya-Mus und bestreuten das ganze mit Puderzucker und Zimt. Auch Emerson hat es sehr gut geschmeckt und wir ließen seiner Mama und seiner Schwester noch etwas übrig, die es ebenfalls lecker fanden.

Heute gab es dann Tortilla-Wraps mit Salsa (Tomate, Frühlingszwiebel, Paprika, Kidneybohnen, peruanischer Mais, Koriander, Limettensaft, Kumin, Salz und Pfeffer), Guacamole, Salat und Falafel. Sogar die kleine Alondra hat sich die Falafel schmecken lassen.

Außerdem bin ich heute das erste Mal Automatik gefahren. Wir mussten in der Metro noch die Tortilla-Wraps kaufen und auf dem Rückweg durfte ich fahren. Ich muss sagen, Automatik ist ziemlich einfach. Allerdings bin ich noch nicht viel gefahren, nur kurz zur Tankstelle vor und dann wieder zurück zum Haus (ca. 1km). Das nächste Mal traue ich mich dann vielleicht in den wilden arequipeñischen Straßenverkehr. Mal sehen.

Einmal La Joya und zurück, bitte.

13Sept2016

Heute waren wir in La Joya – eine Stunde von Arequipa entfernt, ein kleines Städtchen, naja, eher ein Kaff, aus dem Emersons Mama kommt. Vor einem Monat ist eine seiner Tanten gestorben und abgesehen von der Beerdigung ist es hier auch üblich, einen Monat später eine Messe in Ehren des Verstorbenen abzuhalten und danach mit der ganzen Familie zusammen zu sein. Das taten wir heute. Zunächst gab es eine Messe in der kleinen Kirche von La Joya, die ca. eine Stunde ging. Die Kirche war voll! Danach fuhren wir zu Emersons Verwandten und es gab Mittagessen für alle – und mit alle meine ich ca. 100 Leute. Irgendwann konnte ich mir nicht mehr merken, wer jetzt wessen Tante / Tochter / Cousin / Nichte / Schwager / Großonkel war. Emerson stellte mich einfach allen vor und wir begrüßten uns mit dem für Peru typischen Küsschen auf die rechte Wange. Das gleiche dann rückwärts bei der Verabschiedung.

Abgesehen von Emerson und seiner Mama hatten wir noch Emersons Nichte dabei, die uns wunderbar unterhielt. Zunächst einmal hatte sie ein absolut zuckersüßes rotes Kleidchen an, dazu die passenden schwarzen Schühchen mit weißen Rüschensocken. Sie sah aus wie ein peruanisches Rotkäppchen. Die Kirche verging wie im Flug, weil wir die meiste Zeit damit beschäftigt waren, Alondra vom Plappern und Klettern abzuhalten. Alles in allem war sie aber sehr brav.

Die Fahrt nach La Joya (und zurück) war übrigens mal wieder ein Abenteuer. Manchmal habe ich echt das Gefühl, die Peruaner haben überhaupt keine Verkehrsregeln. Zumindest keine, deren Einhaltung die die Chance, lebend wieder daheim anzukommen, erheblich erhöhen würde. Aber wen juckts? Es wird überholt, wo eindeutig Überholverbot ist (vor Kreuzungen, in der Kurve, vor der Kurve, bergauf…), LKWs haben viel zu viel aufgeladen und unzureichend gesichert, Schlaglöcher über Schlaglöcher. Und das Beste: es gibt doch tatsächlich Zahlstationen, „peaje“, so wie es sie in Frankreich oder Spanien z.B. gibt. Kostet zwar „nur“ 5 Soles (1,50€), aber ich frage mich, wofür da eigentlich gezahlt wird. Man sieht zwar immer wieder kleinere „Baustellen“ und Straßenarbeiter in voller Montur, die graben und hebeln und umladen – dennoch sind die Straßen nicht mal ansatzweise vergleichbar mit denen in Westeuropa. Ist noch ein weiter Weg bis dahin – im wahrsten Sinne.

 

 

Weitere Kinder- Vokablen:

„No-no-no“ – nein

„Oya“ – La Joya

“Te amo” – (ja, genau so gehört) Ich liebe dich (Alondra zu ihrer Mama vor der Abfahrt, süüüüß)

„pata“ – planta, Pflanze

„Wuau wuau“ – wau-wau oder Hund

„Opa“ – ropa, Kleidung

„Iba“ – arriba, (nach) oben

„Bia“ – fría, kalt

„Ma me“ – mama, ven, Mama, komm her.

„Me“ – ven, komm her.

Ich bin zu Hause.

09Sept2016

Fast zwei Jahre später und ich bin mittlerweile das dritte Mal in Arequipa – „der Liebe wegen“, so hat es meine Mama genannt. Und sie hat Recht.

Im Februar 2016, genauer gesagt am Valentinstag und just 1 Jahr nachdem ich Peru verlassen hatte, war ich das erste Mal zurückgekehrt. Einfach, weil ich nicht anders konnte, weil ich musste und weil ich durch mein Praktikum, das ich zuvor absolviert hatte, auch genug Geld für ein Ticket beisammen hatte. Mit offenen Armen wurde ich empfangen. Von Emerson, mit einer Sonnenblume (quasi „unserer“ Blume) in der Hand und einem nervösen aber freudigen Lächeln. Ich konnte erst mal gar nichts sagen, ich hatte komplett die Sprache verloren und drückte meine Freude mit einer nicht enden wollenden Umarmung aus. Am Anfang war alles wie neu, doch das legte sich innerhalb der ersten 24 Stunden. Dann klebten wir schon wieder wie – naja, wie Arsch auf Eimer eben.

Fast zwei Monate war ich bei Emerson, sogar zwei Wochen auf Reisen waren wir. Wir verbrachten tolle Tage in Lima, Piura und Máncora – Strand, Meer und tausendundein Insektenstich. Zwar endete der Urlaub mit einer fetten Erkältung und einer von Emerson verordneter „Ventilatorruhe“, ergo einer stickigen Nacht ohne Luftzug unterm Moskitonetz, alle Viere von mir gestreckt, mit trockenem Hals, verstopfter Nase und schlaflos, aber es war trotzdem sehr sehr schön. Wir flogen das erste Mal zusammen im Flugzeug, waren selbstständig, bestellten an einem verregneten Abend Pizza ins Hostel, schwiegen uns an, versöhnten uns wieder, lebten von Insektenschutzspray und CDS (Anm. d. Red.: Chlordioxidlösung, verordnet von einer Ernährungswissenschaftlerin Schrägstrich Heilpraktikerin gegen meinen nervösen Verdauungstrakt*, haha :D) und wohnten der wunderschönen Hochzeit von Emersons Cousine Karla und ihrem Mann Santiago auf einer Yacht vor dem Hafen Limas bei.

Lima LimaHochzeit auf der Yacht :)In Piura - mit neuem Paja-Hut :) MáncoraDie Glocke der Kathedrale von Arequipa - und ich

Die Zeit von Februar bis April verflog so schnell, dass ich es kaum glauben konnte, als es wieder vorbei war. Die letzte Nacht lagen wir Arm in Arm, nicht wirklich schlafend, und alles, was mir durch den Kopf schwebte war „Ich will nicht gehen, ich will nicht gehen, ich will nicht gehen, ich will nicht gehen…“

Es war ein bombastisch schöner Morgen, als ich in Arequipa ins Flugzeug stieg, meinen neuen Hut aus Piura tief ins Gesicht gezogen, damit die Menschen mich nicht weinen sahen. Und ich war fest entschlossen, wiederzukommen.

Ari quepay Chau, Arequipa. Bis bald!

 

Tja, und hier bin ich, genau fünf Monate später. Genauso nervös bei der Ankunft wie im Februar, genauso müde von der Reise, genauso erfreut, meinen Emerson wiederzusehen und genauso sprachlos als wir uns endlich umarmten.

Zuhause wurde ich dann auch schon von der restlichen Familie begrüßt, trank einen Tee, packte meinen Koffer aus und ruhte mich bis zum Mittagessen ein bisschen aus. Emersons kleine Nichte wird im November schon zwei Jahre alt und hat sich in den letzten fünf Monaten, in denen ich nicht da war, sehr verändert. Vor allem fällt mir auf, dass sie jetzt schon mehr spricht, nickt und mit dem Kopf schüttelt, zeigt und lacht, Zusammenhänge versteht, sozusagen schon eine richtige kleine Konversation führen kann.

Stolz hat sie mir direkt am ersten Tag ihre Puppen gezeigt, „bebe“. Auf meine Frage, wohin ihre Mama gegangen sei, antwortete sie „mami uuuh“ („La U“ – die Uni). Und mich kennt sie natürlich auch noch, ruft sie mich doch konsequent mit „tíaaaa“ (Tante). Wenn vom Mittagessen Fleisch übrig bleibt, zeigt sie darauf und sagt „ibi“ – für Tribilin, den Hund. Und das absolut goldigste geschah als ich Emersons Familie meine Mitbringsel überreichte, Alondra ihr Frozen-Holzpuzzle öffnete und dann mit einen strahlenden Lächeln und weit geöffneten Armen zu mit her getapst kam und mich umarmte. Das schönste Danke der Welt.

 

Weitere Kinder-Vokabeln:

„mia“ – mira, schau mal.

„aua“ – agua, Wasser.

„ano“ – vamos, gehen wir.

„ano“ – mano, (gib mir die) Hand

„dau“ – chau!

„peto“ – hueso, Knochen (für „ibi“)

 

Tribilin ist so süß und verliert so viele Haare wie eh und je. Aber man kann einfach kaum an ihm vorbeigehen ohne ihm ein paar Streicheleinheiten zu verpassen. Emerson und ich nennen ihn immer neckisch „la policía“, da er ständig meckert, wenn wir uns umarmen. :D

Gestern waren wir zusammen mit Montse (Mexikanerin, war schon 2014 beim Austausch dabei und ist gerade erneut für ein Auslandssemester in Arequipa) im Schwimmbad, um ein paar Bahnen zu schwimmen. Auch hier habe ich mal wieder ein paar Dinge gelernt: Erstens, man (und frau) MUSS in den Schwimmbädern immer eine Badekappe aufziehen. Zweitens, in Peru lernt man als Kind zuerst Kraulen, bevor man Brustschwimmen lernt. Komisch, oder? Und drittens, zwei Bahnen im auf 2335 Metern Höhe gelegenen Arequipa fühlen sich an wie 25 im flachen Karlsruhe. Ich war danach so was von absolut todmüde, aber die Dusche, das Mittagessen, und der Ausflug zu Metro mit Emersons Mama und seiner Nichte hielten mich wach, sodass ich sogar bis nach 22 Uhr durchhielt (5 Uhr morgens in Deutschland). Ein kleiner Fortschritt, wenn man bedenkt, dass ich am Tag zuvor um 19:30 über meinem Handy eingeschlafen bin – in Klamotten, mit angeschaltetem Licht und laufendem Fernseher – und nicht einmal wirklich merkte, dass und wann Emerson von seinem Abendkurs heimkam und sich zu mir ins Bett legte.

Heute war ich dafür schon um 5 Uhr hellwach. Blieb aber noch ein Weilchen liegen, laß in meinem Buch während Emerson noch schlief bzw. später mit Tribilin Gassi ging. Nach dem Frühstück – Haferschleim mit Lúcuma, Tee und Brot mit meinem mitgebrachten Papaya-Curry-Aufstrich – sind wir auf dem Markt gefahren, haben Obst und Gemüse, Hühnchen, Reis, Nudeln und Gewürze eingekauft. Der Kühlschrank platzt aus allen Nähten. Am Sonntag darf ich für die Familie kochen: Kichererbsencurry habe ich mir vorgenommen.

Den Rest des Nachmittags haben wir gemütlich ausklingen lassen. Ich habe mein Buch fertig gelesen, Emerson hat eine Siesta gehalten, dann ist er los zu seinem Fotografie-Kurs. Mal schauen, was die nächsten Tage und Wochen so bringen :-)

 

I'm home :)

 

*PS: Es hat geholfen. Im Gegensatz zu sämtlichen Antibiotika und sonstigen Medikamenten, die ich zuvor ausprobiert hatte.