Berichte von 10/2014

Interludio poético

26Okt2014

Ich hatte heute Abend nicht viel zu tun, also wühlte ich mich durch die Dateien auf meinem Laptop auf der Suche nach uralten lustigen Bildern oder längst verschollenen und unabgehakten Listen aus den letzten Jahren (wer mich kennt, weiß, dass ich für jeden Scheiß eine Liste anfange: Meine Reiseziele, To Do before I die, schöne Songzitate, spanische Sprichwörter, Lieblingsgedichte und und und...)

Achja. Gedichte. Als ich noch jünger war habe ich fast täglich ein neues Gedicht geschrieben. Nicht umsonst habe ich mittlerweile an die 250 auf meinem Laptop gehortet. Aber seit zwei Jahren schreibe ich nur noch selten welche, weil mein Perfektionismus in dieser Hinsicht mich bald selbst übersteigt.

Bei meinem abendlichen Herumstöbern in alten Gedanken stieß ich jedoch auf folgendes Gedicht:

 

Vergessen kannst du

und kannst es doch nicht.

Du willst mich vergessen

doch noch kannst du nicht.

Infolgedessen vergesse ich mich.

Zerfresse, vernichte, erpresse ich dich.

Du willst mich ermessen,

doch du kannst es nicht.

Du hast mich besessen,

- dichter an dicht.

Hast du es vergessen,

mein blaues Gesicht?

Wie unangemessen einfach alles zerbricht?

Indessen bist du versessen auf mich.

Vermessen! Du kannst dich vergessen?

Ich nicht.

 

... und ich wusste nicht mehr, wann ich es geschrieben hatte, wusste nicht mehr, ob es an irgendjemand Bestimmtes gerichtet war und ob es gut ist - das weiß ich auch nicht mehr.

Ich wollte es aber einem Freund zeigen und da dieser Peruaner ist und kein Deutsch kann, fing ich an, mein Gedicht zu übersetzen - mit den ein und anderen Änderungen in Wortlaut, Wortreihenfolge und so weiter. So wurde zum Beispiel "mein blaues Gesicht" zu "mein schneeweißes Gesicht". Aber macht das einen Unterschied? 'Was wollte uns die Dichterin damit noch gleich sagen?' Tja ;-)

Ich verbrachte also eine gute Stunde damit, zu übersetzen und zu reimen und zu basteln. Und so, auf Spanisch, gefällt es mir fast noch besser:

 

Puedes olvidar

y aún no puedes.

Quieres olvidarme

pero aún te quedes.

Por lo tanto me propaso, me olvido a mí.

Te carcomo, te destruyo, te chantajeo a tí.

Quieres entenderme,

pero no sabes si

ya me poseíste,

- más junta a tí.

¿Ya has olvidado

mi rostro nevado,

cómo se quebra lo que has creado?

Entretanto tú sigues estar obsesionado.

¡Qué osado que eres porque no cedes de mí!

¿Olvidarme? Puedes?

Yo no a tí.

 

- Isabel.

 

Bitte hinterlasst eure Gedanken hierzu, wenn ihr wollt. Dejan sus pensamientos acerca del poema si quieren. Un beso. O dos.

Ode an die Selva

08Okt2014

Mit Hannah habe ich letzte Woche beschlossen, in den Regenwald zu fahren. Auf den Ratschlag ihrer Gasteltern hin haben wir übers Internet eine Tour für 4 Tage und 3 Nächte in der Selva nahe Puerto Maldonado gebucht. Der Name der Tour: Tarantula.

Heute bin ich wieder in Arequipa angekommen und ich könnte nun alles bis ins Detail aufzählen: an welchem Tag wir wann was unternommen haben und was es zu essen gab und wie unsere Guías hießen und was sie erzählt haben. Aber heute ist mir mehr nach singen als nach aufzählen. Nicht wortwörtlich natürlich – im übertragenen Sinne. Eine Ode an den Regenwald, sozusagen. So inspiriert fühle ich mich:

 

Schon die Tage vor der Abreise war ich ziemlich nervös:

zehn Stunden Busfahrt nach Cuzco,

die im Schlaf-Wach-Taumel nach schon fünf vergangen schienen –

und trotzdem war ich noch müde;

der Flug nach Puerto Maldonado, der über den Wolken nur Himmel

und unter den Wolken auf einmal eine völlig neue Landschaft aufdeckte.

Es war wie eine Reisedokumentation,

nur war ich die Reise und die Dokumentation war Wirklichkeit.

Ein Schritt aus dem Flugzeug enthüllte die feuchte, warme Tropenluft

mhmm…

 

Mit dem Motorboot flogen wir über den breiten Fluss Madre de Dios,

fast eine Stunde, genossen unser Mittagessen aus einem Bananenblatt,

gespannt darauf, was kommen würde:

eine Wanderung durch den Regenwald,

über unebenen Boden, so wie ihn die Natur geschaffen hat,

durch Bäume hindurch (wortwörtlich!), über Schlamm und Staub,

und vorbei an Schmetterlingen in den wundervollsten Farben,

welche nur schwer mit der Kamera einzufangen waren –

so frei sind sie, diese Tiere, sie flattern dir einfach davon,

ein gutes Foto interessiert sie nicht.

Schmetterling müsste man sein.

 

Angekommen in unserer Lodge,

gebaut aus Holz, Palmenblättern, Baumstämmen,

Hängematten und Moskitonetzen,

konnten wir uns ausruhen, die Eindrücke auf uns wirken lassen;

konnten wir aus den drei Stunden Strom am Abend unseren Nutzen ziehen

(oder sie einfach im Halbdunkel verstreichen lassen);

konnten wir uns das Moskitospray von der Haut waschen,

um es danach wieder aufzutragen;

konnten wir zu Abend essen;

und wurden wir entführt in der Dunkelheit Kaimane

im nahegelegenen Lago Sandoval zu beobachten,

wie sie unter Ästen und Stämmen am Ufer

ihren Kopf aus dem Wasser hielten,

atemlos und seelenruhig im See verweilten und, so wie wir,

nur dem Paddeln unseres Bootes

und dem touristischen Klicken unserer Kameras zuhörten.

Diese Stille… Kaiman müsste man sein.

 

Als der Sonntag hereinbrach, buchstäblich,

gingen wir los, um Vögel zu beobachten.

Bei Sonnenaufgang glitten wir über den stillen See

bis hin zu dem Weg, den wir am Vortag gekommen waren,

liefen ein Stück und bogen dann nach rechts ab,

mitten in den Wald voller Palmen, Bäumen, Sträuchern, Tiergeräuschen.

Fast eine Stunde konnten wir Guacamayos (Aras)

in freier Wildbahn beobachten

und versuchen, dieses Erlebnis auf Fotos einzufangen –

kaum möglich, denn diese Tiere kann man nicht einfangen.

Guacamayo müsste man sein.

 

Am selben Tag noch weiteten wir unsere Reise aus,

packten unsere Rucksäcke und wanderten zurück

bis an den großen Río Madre de Dios,

wo wir mit einem anderen Guía in unsere zweite Lodge kamen.

Auch diese: aus der Natur mitten in der Natur, direkt am Fluss,

mitten drin.

Wir hatten nicht viel Zeit, es uns in unseren Zimmern

oder einer der Hängematten bequem zu machen,

denn wir machten sogleich eine weitere Wanderung durch das Dickicht,

entdeckten Frösche, Lianen, uralte, riesige Bäume,

und machten Bekanntschaft mit den zwei Guacamayos, dem Katzenbaby,

den zwei Wildschweinfrischlingen und einem der Äffchen,

die in der Lodge leben und sehr zutraulich waren.

An diesem Mittag ging es für mich hoch hinaus,

sowohl körperlich als auch seelisch,

alles war neu und alles war aufregend.

Zipline und Canopy-Walk hoch über dem Regenwaldboden,

durch Baumkronen und Palmenblätter,

mit dem Äffchen auf dem Arm,

das es sich einfach mal auf meiner Tasche bequem gemacht hatte.

Nachmittags eine Siesta in der Hängematte,

faul und froh um die tropische Stille,

die nur unterbrochen wurde

durch das zufriedene leise Brummen der monitos,

die auf meinem Schoß bequem und alle viere von sich gestreckt lagen.

Äffchen müsste man sein.

 

Bei Anbruch der Dunkelheit ging es erneut auf eine Nachtwanderung,

diesmal zu Fuß und wir sahen Spinnen – Spinnen überall.

Vogelspinnen an Bäumen, Vogelspinnen am Boden,

bunte Raupen, Riesenheuschrecken und gut getarnte Geckos.

Wir schliefen unter Moskitonetzen,

hörten nichts als die Töne des Urwalds,

ein unendlichen Summen, ab und zu ein Knarzen, ein Knacksen,

ein Glucksen, ein Schmatzen.

Ich schwitzte vor mich hin, schlief gut, wachte nachts auf,

ging auf Toilette unter dem wachsamen Brummen des Affen (Spanner!),

versuchte die Unterhaltung der Grillen auf dem Dach zu entschlüsseln

und schlief bald darauf, unter dem Schlaflied des Dschungels, wieder ein.

 

Am letzten Tag besuchten wir die Isla de los monos, die Affeninsel,

wo wir noch mehr Affen zu Gesicht bekamen,

sie mit Weintrauben und Mandarinen fütterten; ich fühlte mich gut.

Außerdem fuhren wir zu einer einheimischen Familie,

der „cultura ese-eja“,

erfuhren von deren Bräuchen, Sitten

und der Geschichte der Indígenas de la Selva.

Da wünschte man sich,

man hätte mehr als zwei Augen zum Schauen,

mehr als zwei Ohren zum Zuhören

und mehr als einen Mund, den man vor Erstaunen offen stehen lassen kann.

 

Auch diese Nacht blieb nicht unvergeudet

und wir versuchten uns noch einmal

im Beobachten von Kaimanen im Fluss.

Diesmal gelang es unserem Guía

einen kleinen mit bloßen Händen zu fangen,

sodass wir ihn näher betrachten konnten.

Er war ganz still, als wollte er in sich selbst verschwinden –

wie ein Kind, das sich die Augen zuhält,

um beim Versteckspiel nicht gesehen zu werden.

Nach dem Abendessen, bei dem ich von unserem Guía

noch einen ganz neuen Spitznamen bekam (Chavela),

packten wir unsere Habseligkeiten in unsere Rucksäcke

und unsere neugewonnenen Eindrücke in unsere Köpfe,

auf dass sie uns ewig in Erinnerung bleiben werden,

und schliefen noch ein letztes Mal tief im Regenwald,

bevor es am nächsten Morgen nach dem Frühstück zurück über den Fluss

nach Puerto Maldonado ging: eine wahrhaft andere Welt –

noch einmal anders als die, die ich damals in Arequipa vorfand.

So anders, dass ich aus dem Auto heraus nur staunen und schauen konnte

und kein einziges Foto machte.

Sandige Straßen.

Motorradtaxis.

Schwüle Luft.

Und ein ganz anderer, eigenartiger, aber schöner Vibe.

 

Ein Vibe, der bis zum Flughafen um uns schwebte

und erst verflog, als wir in Cuzco unter die Wolken hinabsanken

und wieder nur noch Berge und Stadt sahen.

Von Regenwald war nichts mehr zu erkennen.

Einen kurzen, aber schönen Nachmittag in Cuzco später,

saßen wir auch schon wieder im Bus nach Arequipa, mit Tee und Keksen

und der Intention, zu schlafen, doch mein Körper wollte nicht.

Nicht ohne dieses magische Surren der Natur der letzten drei Nächte.

 

Es war eine unglaublich tolle Reise.

Obwohl ich mir fünfmal täglich Moskitospray auf meinen Körper sprühte,

damit mich die Moskitos nicht auffraßen

und ich mich die ganze Zeit so unglaublich klebrig fühlte,

fühlte ich mich dennoch gut.

Gut, entspannt, ein bisschen anders, ein bisschen wie eine neue Isabel.

Wie Chavelita.

Die Klänge des Regenwaldes,

das Zwitschern der Vögel und das Zirpen,

Brummen und Summen der Insekten

waren wie eine Massage für meinen Kopf.

Auch wenn ich mein Faultier nicht gesehen habe,

durfte ich immerhin mit Affen in einer Hängematte faulenzen.

Und wer kann das schon von sich behaupten?! :)

 

ICH BIN IN   PERU! Ich bin euphorisch!

Unsere Fortbeweungsmittel auf dem Río Madre de Dios durch diesen Baum sind wir durchgelaufen, weil er innen hohl ist. :) ... ich werde mal ein Schmetterling! Canopy-Walk kleines Vogelspinnchen in seinem Nest gute Nacht :) Cuzco (Plaza de Armas)